Die Geschichte, die Noela Rukundo aus Melbourne (Australien) zu erzählen hat, könnte glatt als neuer Actionstreifen von Quentin Tarantino durchgehen – allein unnötiges Blutvergießen fehlt hier glücklicherweise.
Noela kam 2004 zusammen mit ihren fünf Kindern aus dem ostafrikanischen Burundi nach Australien und lernte dort ihren späteren Ehemann Balenga Kalala kennen, der im selben Jahr aus der Demokratischen Republik Kongo geflohen war, nachdem seine damalige Ehefrau und seine Kinder von Rebellen ermordet worden waren. Nur wenige Monate später heiratete das anfangs so glückliche Paar und bekam in den folgenden Jahren drei gemeinsame Kinder.
Dann jedoch kam der schicksalhafte Tag, an dem sich Noelas Leben für immer veränderte. Sie flog Anfang 2015 nach Bujumbura, Burundis Hauptstadt, um der Beerdigung ihrer geliebten Stiefmutter beizuwohnen. Nach der Trauerfeier zog sie sich auf ihr Hotelzimmer zurück, auf dem sie wenig später ein Anruf ihres Gatten erhielt. In angeblicher Sorge um ihre Gesundheit bat er sie, ja flehte sie sogar an, an die frische Luft zu gehen.
Doch als Noela dem Wunsch ihres Mannes nachkam und das Hotel verließ, wurde sie sofort von einem bewaffneten Mann überwältigt, in ein bereitstehendes Fahrzeug gedrängt und brutal verschleppt. In dem Auto wartete ein weiterer Mann auf die hilflose Frau, der ihr die Augen verband. Nach einer ungefähr dreißigminütigen Fahrt wurde sie schließlich in ein verlassenes Gebäude gebracht und ohne weitere Erklärung an einen Stuhl gefesselt.
Die erste Frage ihrer Entführer lautete: „Was hast du deinem Mann getan? Warum will er, dass wir dich töten?“ Noela konnte und wollte ihnen keinen Glauben schenken. Sie war sich sicher, dass die Männer logen. Von den Entführern wurde sie für ihre Naivität allerdings nur müde belächelt. Zum Beweis zückte einer der Männer sein Handy. Am anderen Ende meldete sich zum Entsetzen von Noela tatsächlich Balenga. Was er dann sagte, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren: „Tötet sie! Tötet sie!“
Noela war sich nach all den Ehejahren der brutalen und eifersüchtigen Art ihres Mannes zwar bewusst, einen Mordversuch hätte sie ihm trotzdem niemals zugetraut; dafür hätte sie ihre Hand ins Feuer gelegt. Nachdem sie die erschütternde Wahrheit erfahren hatte, dachte sie sofort an ihre Kinder – sie befanden sich immerhin noch in der Obhut Balengas.
Nach zwei Tagen Gefangenschaft eröffneten ihr die Männer jedoch, dass sie keine Frauen oder Kinder töten würden. Sie hatten lediglich abgewartet, um eine zusätzliche Zahlung von Balenga zu erzwingen. Danach ließen sie Noela mit folgenden Worten gehen: „Wir möchten, dass du zurück nach Australien fliegst und den anderen naiven Frauen erzählst, was dir passiert ist.“ Zusätzlich bekam sie von den Entführern Tonaufnahmen überreicht, die ihren Mann überführen sollten.
Auf der einen Seite stand Noela noch immer unter Schock, andererseits fühlte sie sich stärker denn je. Sie verlor keine Zeit und heckte sofort einen Racheplan der etwas anderen Art aus. Mit Hilfe der kenianischen und belgischen Botschaft organisierte sie den Rückflug nach Melbourne. Vorher kontaktierte sie allerdings noch den Pfarrer ihrer Kirchengemeinde und weihte ihn in den Plan ein.
Derweil hatte Balenga Freunden und Familie bereits erzählt, Noela sei bei einem tragischen Autounfall in Burundi ums Leben gekommen. Zusammen mit dem Pfarrer richtete der „Witwer“ eine Trauerfeier aus, auf der ihm der Schock seines Lebens widerfahren sollte.
Als Balenga gerade seine Gäste verabschiedete, erschien vor ihm plötzlich der „Geist“ seiner verstorbenen Frau. Der mörderische Ehemann rieb sich verwundert die Augen, ging auf Noela zu und berührte ganz leicht ihre Schulter. Erst da begriff er, dass sie tatsächlich noch am Leben war und nun putzmunter vor ihm stand. „Ich fühlte mich, als wäre ich wiederauferstanden“, so Noela.
Zuerst versuchte sich der vorgeblich trauernde Balenga herauszureden, als er von Noela jedoch mit den Fakten – insbesondere den Tonaufnahmen – konfrontiert wurde, platzte aus ihm die Wahrheit heraus: Balenga hatte fälschlicherweise befürchtet, seine Frau könnte ihn womöglich für einen anderen Mann verlassen. Um dem zuvorzukommen, fasste er den Beschluss, sie hinterrücks töten zu lassen. Dank der erdrückenden Beweise und seines Geständnisses wurde Balenga im Dezember 2015 zu neun Jahren Gefängnis verurteilt.
Auch wenn Noela die Strafe für zu gering hält und noch immer jede Nacht seine Stimme hört, möchte sie ein neues Leben beginnen – für sich selbst und für ihre insgesamt acht Kinder, für die sie all ihre Kraft braucht. Aufgeben kommt für sie keinesfalls infrage: „Mein altes Leben? Das gibt es nicht mehr. Aber dafür beginnt jetzt ein neuer Lebensabschnitt. Ich werde stark sein und mich durchsetzen.“ Selbst eine erneute Heirat könnte sie sich vorstellen, wenn sie denn ihren Traumprinzen findet. Viel Glück!