Als der kleine Erez Gaon in der Stadt Ein Vered in Israel geboren wird, sind die Ärzte zunächst erschrocken. Sie verhüllen den Körper des neugeborenen Jungen mit einer Decke, bevor sie ihn seiner Mutter Ruthi zeigen.
Erez kommt mit einem sogenannten konnatalen Nävuszellnävus auf die Welt. Dieser Hautdefekt bewirkt, dass zu viel Melanin produziert wird, darum sind Körper und Gesicht der betroffenen Kinder mit großen dunklen Muttermalen bedeckt (hier ein Beispielbild).
Doch was die Akzeptanz durch seine Eltern angeht, hätten sich die Ärzte keine Sorgen zu machen brauchen: Erez wird von Anfang an bedingungslos geliebt und angenommen. Die Krankheit wirkt sich jedoch leider auch auf Erez‘ innere Organe aus. Er leidet dadurch an epileptischen Anfällen und hat Skoliose, eine Verformung der Wirbelsäule.
Der Junge muss mehrere Operationen hinter sich bringen, bevor seine Gesundheit sich stabilisiert, aber mit Hilfe seiner zu ihm haltenden Eltern übersteht er alles gut und kann sich als der fröhliche und liebenswerte Junge entwickeln, der er ist.
Schwerer als die Krankheit selbst wiegt allerdings die gedankenlose Grausamkeit, mit der völlig fremde Menschen Erez manchmal begegnen.
Als seine Mutter Ruthi eines Tages mit ihm unterwegs ist, starrt ein Mädchen Erez an und macht dann einen grausamen Witz über sein Aussehen. Schlimm genug, aber auch die Mutter des fremden Mädchens verhält sich wie ihre Tochter und lacht gemeinsam mit ihr über das Kind mit den komischen Flecken im Gesicht.
Ruthi schäumt vor Wut darüber, wie die andere Mutter ihre Tochter in ihrer ignoranten Gemeinheit auch noch unterstützt. Doch Erez nimmt sie ruhig bei der Hand und führt sie davon. Zuhause kann Ruthi das Geschehene nicht einfach auf sich beruhen lassen. Sie gibt Erez einen Stift in die Hand und bittet ihn, sie anzumalen, bis sie aussieht wie er.
Erez verziert das Gesicht seiner Mutter mit dunklen Punkten und strahlt. Die beiden halten die Situation in Fotos fest, die Ruthi auf ihrem Facebook-Profil hochlädt. Damit die Menschen verstehen, worum es geht, fügt sie einen Text hinzu:
„Ich schwöre Ihnen, ich habe mich daran gewöhnt, dass die Leute einen anstarren, an die Bemerkungen hinter meinem Rücken. Aber die traurige Wahrheit ist – egal, wie viel wir über Integration und Akzeptanz reden – dass das Andere ausgeschlossen bleibt und immer Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird. Manchmal ist es sogar amüsant. Aber es ist schwer für mich, wenn Leute einfach gemein sind. Wie können Sie nur über meinen geliebten Sohn lachen?
Erez, es wäre so einfach gewesen, auf diese Mutter loszugehen, über die verletzenden Bemerkungen zu lachen, die ihre Tochter über dein Aussehen machte (Dinge, die so schlimm sind, dass ich sie hier nicht schreiben will). Ich schwöre, in diesem Moment wollte ich auf das Gesicht dieser Mutter einschlagen (und auf so viel mehr). Aber du hast nur gelächelt, meine Hand genommen und bist weitergegangen.
Du kannst zaubern, mein Kind, denn statt sie weiterhin erwürgen zu wollen, habe ich beschlossen, allen zu zeigen, dass ich stolz auf dich und all deine Punkte bin. Besonders auf den Punkt, der ganz nah an deinem schönen Auge ist, welches es schafft, all das Gute in der Welt zu sehen, und alles andere zu ignorieren.
(…)
Und an dich, liebe Mutter, sollte dich diese Nachricht erreichen: Wisse, dass ich mich entscheide, dir zu verzeihen, weil mein Schatz mich jeden Tag lehrt, ein besserer Mensch zu sein.“
In kürzester Zeit geht ihr Posting durch das Netz, wird viele hundert Male geteilt. Plötzlich beginnen sogar völlig Fremde, Fotos von sich ins Netz zu stellen, auf denen sie sich dunkle Punkte ins Gesicht gemalt haben.
Unter dem Hashtag „Friends of Erez“ („Freunde von Erez“) zeigen sie mit ihren Bildern Solidarität mit dem kleinen Jungen und versuchen alles, um ihn aufzumuntern.
Ruthi und Erez sind sehr glücklich über die Freundlichkeit so vieler Menschen im ganzen Land. Sie hoffen, dass ihre Geschichte alle daran erinnert, dass Leute, die „anders“ aussehen, Menschen mit verletzlichen Gefühlen sind – wie alle anderen auch.
Vielleicht kommen wir ja einmal an den Punkt, an dem es undenkbar ist, jemanden grausam zu verspotten, weil er „anders“ aussieht als der Rest.