Kinder reagieren manchmal derart sensibel auf die kleinsten Veränderungen, dass es Erwachsenen schwerfällt, die Ursache ihrer Verunsicherung nachzuvollziehen. Selbst ganz gewöhnliche Abläufe des Alltags fallen den Kleinen dann schwer, sie sind verängstigt und hätten Mama und Papa am liebsten ständig bei sich. Diese Erfahrung machte auch Liz Petrone.
Liz ist eine junge Schriftstellerin und mehrfache Mutter. Sie kümmert sich aufopferungsvoll um ihre Kinder. Gleichwohl hatte ihr Sohn auf einmal Schwierigkeiten. Das sonst so fröhliche Kind wirkte schüchtern und wollte nicht allein sein. Auf Facebook veröffentlichte Liz die rührende Geschichte, welches Mittel sie fand, mit dieser diffusen Unsicherheit ihres Sohnes umzugehen:
„Mein Jüngster ist seit kurzem besonders ängstlich. Ich weiß nicht, warum.
Vielleicht liegt es am Jahreszeitenwechsel: Zunächst ganz gemächlich, wird es plötzlich so schnell frostig, dass man schwören könnte, die eben noch eingeatmete warme Herbstluft verlasse den Mund als nebliger Dunst.
Oder vielleicht liegt es daran, dass mein Sohn mich bereits seit dem Schulbeginn im September fragt, wann endlich Weihnachten ist. Ich lache dann immer und sage ihm, dass es noch eine Weile dauert. Obwohl, mittlerweile dauert es tatsächlich nicht mehr lange und seine Vorfreude ist so groß, dass ich befürchte, er könne vor Aufregung platzen.
Jedenfalls habe ich neulich durch die Schulbusscheibe gesehen, wie er nach dem Einsteigen anfing zu weinen. Wie die Jahreszeiten veränderte sich sein Gesicht zunächst nur ganz leicht, um sodann in einen Tränenausbruch zu münden. Der Bus war bereits zu weit entfernt, als dass ich noch etwas hätte unternehmen können. Dennoch versuchte ich es: Mitten auf der Straße stehend winkte ich mit beiden Händen, bis die große gelbe Kiste um die Kurve bog und aus meinem Blickfeld verschwand.
Am nächsten Morgen saßen wir wieder an der Bushaltestelle und ich zog einen Stift aus meinem Mantel. Ich ergriff sein Handgelenk, küsste das Blau seiner Adern, durch die unser gemeinsames Blut fließt, und zeichnete dieses Herz.
‚Ich weiß, dass es in der Welt da draußen schwierig sein kann‘, sagte ich ihm, als der Bus kam, um ihn mir wegzunehmen. ‚Ich möchte, dass du dir dieses Herz jedes mal anschaust, wenn du das Gefühl hast, es nicht mehr auszuhalten. Ich möchte, dass du es ansiehst und dich daran erinnerst, dass zu Hause immer jemand auf dich wartet. Egal, was passiert. Jemand liebt dich.‘
Er überquerte die Straße und stieg in den Bus. Sein Gesicht tauchte hinter der Scheibe auf. Ich erwartete, dass er zu mir schauen und mich anlächeln würde, dass er winken oder sogar weinen würde – doch er blickte nicht ein einziges Mal auf.
Er blickte nur auf sein Handgelenk.
Ich weiß, dass es für viele von uns oft schwierig in der Welt da draußen ist. Ich weiß, dass Ferien dieses Gefühl verstärken können, ebenso Kälte oder Dunkelheit. Mir geht es genauso. Vielleicht müssen wir uns nur an diese einfache Tatsache erinnern. Womöglich ist es kein Allheilmittel, zumindest nicht langfristig; aber es ist trotzdem ein Trost. Und ein Trost kann lange halten, wenn man weiß, dass man geliebt wird.“
Liz Petrone zeigte wirklich Herz – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Ihr Sohn kann sich glücklich schätzen, eine derart einfühlsame und fürsorgliche Mutter zu haben.